Donnerstag, 28. Mai 2015

Eine trübe Stunde

(Marie Luise Büchner)


Das hab' ich wohl erfahren
in manchen bitt'ren Jahren,
es gibt für mich kein Glück!
Wo andre Rosen brechen,
mich nur die Dornen stechen:
so will es mein Geschick.

Nie streckt' ich meine Hände
nach reichster Glückesspende,
ich brauche wenig nur:
Ein freundliches Verstehen,
ein geistiges Umwehen,
und Trösterin Natur.

Allein: "du sollt entbehren,
entbehren dich verzehren!"
So sprach das Leben hart.
Was nützet eitle Klage,
was nützet mir die Frage,
warum dies Los mir ward?

Ich gehe ruhig weiter,
Geduld ist mein Begleiter,
ein kalter, trockner Freund;
regt sich mein Geist zum Kämpfen,
wird er den Aufschwung dämpfen,
dass er sich selbst verneint!

Hebt Phantasie die Schwingen,
Entzückung mir zu bringen,
die meine Sehnsucht stillt;
flieh' ich zurück zur Wahrheit
und seh' in bitt'rer Klarheit,
es war ein täuschend Bild.

Ist's wahr, dass solche Seelen,
die sich nichts mehr verhehlen,
schon sind des Todes Raub -
muss bald mein Geist entschweben,
dies täuschungsleere Leben
hinsinken in den Staub!

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