Montag, 29. Dezember 2014

O fragt mich nicht!

(Mathilde Raven)


O fragt mich nicht, ob stets so düster
mein Antlitz war und mein Gedicht,
ob nie das Glück mein Aug' erhellte?
O fragt mich nicht, o fragt mich nicht!

Dem Wandrer gleich' ich, den die Sonne
der endlos öden Wüste sengt,
dess' Auge stier und glutgerötet
am heißen, leeren Himmel hängt.

Der glühnde Sand sengt seine Sohlen,
verschmachtend klebt die Zung' am Gaum':
Da plötzlich - ha! - selig Entzücken!
Ist's Wirklichkeit, ist's nur ein Traum?

Das sind des Niles Silberfluten,
das seiner Ufer saftig Grün,
und Dattelbäume dies, - wie golden
im Sonnenstrahl die Früchte glühn!

O Lust, geendet ist sein Leiden! -
Des Wandrers Aug' erstarrend bricht! -
O Gott! in Dunst zerronnen Alles -
Es war der Wüste Truggesicht.

O fragt mich nicht, ob stets so düster
mein Antlitz war und mein Gedicht.
Mein Glück glich dem Gesicht der Wüste;
O fragt mich nicht, o fragt mich nicht!

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