Donnerstag, 27. Februar 2014

Wer einsam sitzt in seiner Kammer

(Novalis)













Wer einsam sitzt in seiner Kammer
und schwere, bittre Tränen weint,
wem nur gefärbt von Not und Jammer
die Nachbarschaft umher erscheint;

wer in das Bild vergangner Zeiten
wie tief in einen Abgrund sieht,
in welchen ihn von allen Seiten
ein süßes Weh hinunterzieht;

Es ist als lägen Wunderschätze
da unten für ihn aufgehäuft,
nach deren Schloss in wilder Hetze
mit atemloser Brust er greift.

Die Zukunft liegt in öder Dürre
entsetzlich lang und bang vor ihm,
er schweift umher, allein und irre
und sucht sich selbst mit Ungestüm.

Ich fall ihm weinend in die Arme:
Auch mir war einst wie dir zumut,
doch ich genas von meinem Harme
und weiß nun, wo man ewig ruht.

Dich muss, wie mich, ein Wesen trösten,
das innig liebte, litt und starb;
das selbst für die, die ihm am wehsten
getan, mit tausend Freuden starb.

Er starb und dennoch alle Tage
vernimmst du seine Lieb und ihn
und kannst getrost in jeder Lage
ihn zärtlich in die Arme ziehn.

Mit ihm kommt neues Blut und Leben
in dein erstorbenes Gebein;
und wenn du ihm dein Herz gegeben,
so ist auch seines ewig dein.

Was du verlorst, hat er gefunden;
du triffst bei ihm, was du geliebt:
Und ewig bleibt mit dir verbunden,
was seine Hand dir wiedergibt.

Keine Kommentare: