Montag, 22. Dezember 2014

Der erste Schnee

(Stine Andresen)
1. - 7. Strophe


Vom Turme hallt der Klang der Abendglocken;
ich steh' allein auf einsam stiller Höh'.
Rings um mich her, in weichen, dichten Flocken
fällt lind herab der erste Winterschnee.

O kalter Schnee! Seit du zum letzten Male
mit deiner Hülle decktest Flur und Feld,
seit du zerrannst beim ersten Frühlingsstrahle,
nahm mir der Tod mein Liebstes auf der Welt.

Nun steh' ich einsam hier mit meinem Leide.
O falle, Flocke, falle leis herab!
Du deckst mit deinem weißen Winterkleide
zum ersten Mal ein mir so teures Grab.

Hier, wo am Kreuz ein goldner Name blinket,
der einst bezeichnet all' mein Lebensglück,
verweil' ich, bis die Dämmrung niedersinket,
dann kehr' ich einsam in mein Heim zurück.

Im Sommer ging ich, pflanzte hier als Siegel
der Liebe Rosen hin und Rosmarin.
Nun tanzen Flocken um den stillen Hügel,
der kalte Nordwind streicht darüber hin.

Und um mich her dies winterliche Treiben,
es stimmt mit meinem Herzen überein,
denn dort ist's kalt und tot und wird es bleiben,
es mag nun Sommer oder Winter sein.

Ich steig herab, die Glocken sind verklungen,
mein Fuß versinkt im tiefen, kalten Schnee.
Ach! kalt ist's bis zum Herzen mir gedrungen,
und mich umfängt ein namenloses Weh.

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