Freitag, 9. Mai 2014

An die Menschengesichter

(Gottfried August Bürger)
Strophe 1 - 3 und 8


Ich habe was Liebes, das hab ich zu lieb;
was kann ich, was kann ich dafür?
Drum sind mir die Menschengesichter nicht hold:
Doch spinn' ich ja leider nicht Seide noch Gold,
ich spinne nur Herzeleid mir.

Auch mich hat was Liebes im Herzen zu lieb;
was kann es, was kann es fürs Herz?
Auch ihm sind die Menschengesichter nicht hold:
Doch spinnt es ja leider nicht Seide noch Gold,
es spinnt sich nur Elend und Schmerz.

Wir seufzen und sehen, wir schmachten uns nach,
wir sehnen und seufzen uns krank.
Die Menschengesichter verargen uns das;
sie reden, sie tun uns bald dies und bald das,
und schmieden uns Fessel und Zwang.

Es hungert den Hunger, es dürstet den Durst;
sie sterben von Nahrung entfernt.
Naturgang wendet kein Aber und Wenn. -
O Menschengesichter, wie zwinget ihr's denn,
dass Liebe zu lieben verlernt?

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