Freitag, 30. September 2011

Im Winterwald

In Winters rauer Einsamkeit,
kein Lichtlein schien ihm weit und breit,
der Schneesturm streifte sein Gesicht,
doch stehen bleiben durft' er nicht.

Er zog allein durch Wald und Flur,
ganz ferne glänzt' ein Sternlein nur,
der Weg zurück, der war zu weit,
kein schützend Obdach weit und breit.

So eisig wie in diesem Jahr,
schien ihm, noch nie ein Winter war.
Das Reh am Wegrand tat ihm leid,
der ganze Wald, er lag verschneit.

Und wie nun unser Wandersmann
sich nicht mehr auf sich selbst besann,
da ward ihm warm im Herzen drin,
die schwere Kälte wich dahin.

Er baute schnell aus viel Geäst
für jenes Reh ein schützend Nest.
Nun lag das Tier vom Schnee befreit –
"Wie schön ist doch die Winterzeit!"

Die Winterzeit, so dacht' der Mann,
so manches Herz erretten kann.
Schlief glücklich ein, ganz ohne Not,
und war am nächsten Morgen tot.

(Ilka Berikhan)
Januar 2010 



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