Freitag, 30. September 2011

Das Jahr Null

Der heilige Abend nahet nun wieder,
erleuchtet singen wir frohe Lieder,
wir reden von Liebe und Seligkeit,
wir schmücken den Baum zur Weihnachtszeit.
Doch all überall seh' ich Menschen stehen,
die achtlos am Christbaum vorübergehen.
Sie hören es kaum, sie glauben es nicht,
was der Engel der Weihnacht zu ihnen spricht.
Doch lauscht man ihm still, dann wird offenbar,
was am heiligen Abend im Jahr Null geschah.

(Ilka Berikhan)
November 2008



Hinweis:
Das Jahr Null gibt es nicht. Poesie lebt jedoch davon, dass Naturgesetze gebrochen werden: Blumen nicken mit den Köpfen, fangen an zu sprechen und können denken, Herzen weinen und fliegen. usw. (Dem Biologen stünden hier sicher die Haare zu Berge, nähme er alles wortwörtlich.) NULL steht in diesem Gedicht symbolisch für Neuanfang und Neubeginn, was die Aussage des Gedichtes besonders unterstreicht. Alles wird auf Null, auf Neubeginn zurückgesetzt. Das Jahr EINS, wie es faktisch richtig wäre, wäre in diesem Fall sicher nicht halb so aussagekräftig. Poesie lebt von der Phantasie und von Metaphern.

2 Kommentare:

Harald hat gesagt…

Das Gedicht basiert auf einem gravierenden Fehler. Als Historiker möchte ich gerne darüber informieren, dass es das Jahr NULL nicht gibt in unserer Zeitrechnung. Nach dem Jahr 1 vor Chr. folgt das Jahr 1 nach Chr.

Deshalb kann im Jahr NULL am Heiligen Abend auch rein gar nichts passiert sein.

I. Berikhan hat gesagt…

Lieber Harald,

dessen bin ich mir durchaus bewusst. :-)
Nach den Regeln der Mathematik kann etwas, was existiert nicht NICHTS bzw. NULL sein.
Ich sehe das allerdings nicht so eng und zähle das unter dichterische Freiheit. Dies tut der allgemeinen Botschaft des Gedichtes nicht weh.
Null steht ja im übertragenen Sinne auch für Neuanfang / Neubeginn, was hier symbolisch sehr gut passt.

Phantasievolle Grüße,
I. Kunath