Dienstag, 11. November 2025

Rundreise durch moderne Thesen – Station 3

Die Rundreise durch die 95 Thesen von Martin Luther geht weiter: Station 3 führt uns zu einem Gedanken, der mitten ins Herz der Reformation trifft – und weit darüber hinausweist: 

"Wer andere verdammt, vergisst seine eigene Erlösung."

Verdammung – das klingt nach Gericht, nach Trennung, nach Endgültigkeit.
Doch wer richtet, stellt sich selbst über den anderen – und übersieht dabei, dass auch er von Gnade lebt.

Luther kämpfte einst gegen ein System, das Menschen glauben machte, sie müssten sich den Himmel verdienen.
Er entdeckte in der Bibel neu, dass Erlösung kein Werk des Menschen ist, sondern ein Geschenk Gottes.
Ein Geschenk, das niemandem zusteht – und doch jedem offensteht.

„Wer andere verdammt, vergisst seine eigene Erlösung.“
Denn wer wirklich verstanden hat, was Gnade bedeutet, wird vorsichtig mit seinem Urteil.
Er weiß: Das, was ihn trägt, ist kein Verdienst, sondern Liebe.
Und diese Liebe duldet keinen Hochmut.

Verdammung entspringt dem Stolz – Erlösung der Demut.
Erst wenn wir aufhören, "den Splitter im Auge des anderen zu suchen, erkennen wir den Balken im eigenen". (Bibel: Matthäus 7,3–5)
Erst wenn wir unsere eigene Bedürftigkeit annehmen, können wir Mitgefühl üben statt Verachtung.

Vielleicht ist das die tiefste Form von Reformation:
Nicht nur Institutionen zu verändern, sondern das Herz.
Nicht mehr zu fragen, wer verloren ist –
sondern zu staunen, dass wir alle gefunden wurden.

So wird aus Glaube keine Waffe, sondern eine Einladung.
Und wer gelernt hat, sich geliebt zu wissen,
kann aufhören zu verdammen –
und anfangen zu lieben.