Die Rundreise durch die 95 Thesen von Martin Luther geht weiter: Station 3 führt uns zu einem Gedanken, der mitten ins Herz der Reformation trifft – und weit darüber hinausweist:
"Wer andere verdammt, vergisst seine eigene Erlösung."
Verdammung – das klingt nach Gericht, nach Trennung, nach
Endgültigkeit.
Doch wer richtet, stellt sich selbst über den
anderen – und übersieht dabei, dass auch er von Gnade lebt.
Luther kämpfte einst gegen ein System, das Menschen glauben
machte, sie müssten sich den Himmel verdienen.
Er entdeckte in
der Bibel neu, dass Erlösung kein Werk des Menschen ist, sondern ein
Geschenk Gottes.
Ein Geschenk, das niemandem zusteht – und doch
jedem offensteht.
„Wer andere verdammt, vergisst seine eigene Erlösung.“
Denn
wer wirklich verstanden hat, was Gnade bedeutet, wird vorsichtig mit
seinem Urteil.
Er weiß: Das, was ihn trägt, ist kein Verdienst,
sondern Liebe.
Und diese Liebe duldet keinen Hochmut.
Verdammung entspringt dem Stolz – Erlösung der Demut.
Erst
wenn wir aufhören, "den Splitter im Auge des anderen zu suchen,
erkennen wir den Balken im eigenen". (Bibel: Matthäus 7,3–5)
Erst wenn wir unsere
eigene Bedürftigkeit annehmen, können wir Mitgefühl üben statt
Verachtung.
Vielleicht ist das die tiefste Form von Reformation:
Nicht nur
Institutionen zu verändern, sondern das Herz.
Nicht mehr zu
fragen, wer verloren ist –
sondern zu staunen, dass wir alle
gefunden wurden.
So wird aus Glaube keine Waffe, sondern eine Einladung.
Und wer
gelernt hat, sich geliebt zu wissen,
kann aufhören zu verdammen
–
und anfangen zu lieben.
