Donnerstag, 21. Mai 2015

Sinkender Himmel

(Stefan Zweig)


Du Herz, das immer die Sterne begehrte,
für jeden Wunsch verschenkt sich ein Traum.
Sieh, schon neigt sich der abendverklärte
Himmel zu dir, und du fasst es kaum.

Neigt sich und neigt sich. Und in sein Sinken
hebt die Erde verschreckt ihr Gesicht,
und wie mit purpurnen Lippen trinken
die Höhen das letzte löschende Licht.

Alle Bäume schon müssen ihn fühlen,
steil greift ihr Schmerz in den Abend empor,
und mit den zitternden Armen wühlen
sie sich in den samtenen Sternenflor.

Und tiefer rauschen die Wolkenfernen.
Schon streifen sie dich, wie ein Kuss, wie ein Kleid,
und wiegen nun sanft mit den silbernen Sternen
dein Herz in die nahe Unendlichkeit.

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