Freitag, 23. Januar 2015

Lied

(Khalil Gibran)
1. - 5. Strophe


In den Tiefen meiner Seele wohnt ein Lied,
das sich weder in Worte kleiden
noch mit Tinte zu Papier bringen lässt,
es umgibt meine Gefühle wie eine Hülle
und gelangt nicht auf meine Zunge.

Wie kann ich es anstimmen,
ohne es rauhen Winden auszusetzen?
Wem kann ich es singen,
ohne es groben Ohren preiszugeben?

In meiner Seele wohnt ein Lied,
und wenn du tief in meine Augen schautest,
sähest du den Schatten seines Schattens;
wenn du meine Fingerspitzen berührtest,
fühltest du sein Zittern.

Die Werke meiner Hände bringen es ans Licht,
wie ein See das Leuchten der Sterne spiegelt;
und meine Tränen hüllen es
wie die Tautropfen das Geheimnis der Rose,
wenn sie sich unter der Sonne auflösen.

Es ist ein Lied, das in der Stille erklingt
und beim Lärm verstummt,
das sich im Traum offenbart
und beim Erwachen zurückzieht.
Es ist das Lied der Liebe...